Grundlagen

Warum wird der Versuch bestraft?

  1. Objektive Theorie: Der Versuch wird bestraft, da das geschützte Rechtsgut durch ihn zwar nicht verletzt aber mithin doch schon gefährdet wird

  2. Subjektive Theorie: Der Versuch wird bestraft, da der Täter damit seine Rechtsfeindliche Gesinnung bestätigt

  3. Eindruckstheorie (hM): Der Versuch wird bestraft, da die Bestätigung der rechtsfeindlichen Gesinnung des Täters das Vertrauen der restlichen Bürger in die Gültigkeit der Rechtsordnung erschüttert

Welche Sonderformen des Versuches gibt es?

  1. Untaugliche Versuch: Ein Versuch ist untauglich, wenn er entgegen der Tätervorstellung, objektiv von Anfang an zur Tatverwirklichung nicht geeignet ist
    Strafbar? → Ja, nach § 22, 23 III StGB
    Ein untauglicher Versuch kann sich in folgen Formen äußern:

  2. Grob unverständiger Versuch: (Unterform des untauglichen Versuchs) Ein Versuch ist grob unverständig, wenn der Täter aus grobem Unverstand verkennt, dass seine Handlung objektiv von Anfang an zur Tatverwirklichung nicht geeignet ist
    Strafbar? → Ja, nach § 23 III StGB

  3. Abergläubische Versuch: Ein Versuch ist abergläubisch, wenn der Täter mit übernatürlichen an den Naturgesetzen vorbeigehenden Kräften den Taterfolg herbeiführen möchte
    Strafbar? → Nein



Prüfung eines Versuchsdelikts

I. Vorprüfung

A. Nicht vollendetes Delikt

Der Täter darf wegen der Vollendung eines Deliktes bestraft werden.

B. Strafbarkeit des Versuchs

Der Versuch muss strafbar sein, dies ist, gemäß § 23 I, bei Verbrechen (§ 12) oder wenn es ausdrücklich bestimmt wurde der Fall.

II. Tatbestand

A. Tatentschluss

Der Tatenschluss fordert einen unbedingten Vollendungswillen. Dieser hat folgende Eigenschaften:

B. Unmittelbares Ansetzen

Beim unmittelbaren Ansetzen unterscheidet man in vier Fallgruppen:

  1. Wann das unmittelbare Ansetzen beginnt ist umstritten, hier muss ein Theorienstreit geführt werden:

    1. Formal objektive Theorie (früher, RG): Tatbeginn ≙ Beginn der Tathandlung
    2. Materiell objektive Theorie (früher, BGH): Tatbeginn ≙ unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts durch Handlung im engen Zusammenhang mit der Tathandlung
    3. Subjektive Theorie (frühere Lehre): Tatbeginn richtet sich nach der Tätervorstellung ("Jetzt-geht-es-los")
    4. Sphärentheorie: Ein Versuch liegt dann vor, wenn der Täter in die zu schützende Sphäre des Täters dringt und ein enger zeitlicher Zusammenhang (Zh) zwischen der Tathandlung und dem angestrebten Erfolg besteht
    5. Zwischenaktstheorie: Ein Versuch liegt vor wenn zwischen der Handlung und dem Erfolg keine wesentlichen Zwischenakte liegen

    Letzlich sind die oberen Theorien veraltet und es ist der Kombinationsformel zu folgen:

    • Definition: Der Täter setzt unmittelbar zur Tat an, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat subjektiv die Schwelle zum "Jetzt-geht-es-los" überschreitet und objektiv zu einer Handlung ansetzt, die nach seinem Tatplan ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht.
    • → Gesamtbetrachtung notwendig ob noch wesentliche Zwischenschritte fehlen zur Tatbestandsverwirklichung

  2. Bei Delikten mit Qualifikationen reicht das bloße Ansetzen zu der Qualifikation nicht aus, viel mehr muss zum Grunddelikt unmittelbar angesetzt werden

    • Es wird in zwei Ansichten unterschieden:
    • BGH: Das Ansetzen ist davon abhängig ob der Täter das Erscheinen des Opfers für sicher oder ungewiss hält. Hält er es für sicher setzt er mit dem Abschluss seiner Handlung an und hält er es für ungewiss setzt er an, sobald das Opfer erscheint und sich die Gefahr für ihn verdichtet
    • Literatur: Nach der Literatur setzt der Täter an, wenn er bewusst das Geschehen aus seinen Händen gibt, so dass der Erfolg nun selbstständig eintritt oder eine Situatione (nach der Tätervorstellung) vorliegt in der keine wesentlichen Zwischenschritte notwendig sind damit der Einfolg eintreten kann.
    1. Auch bei Ansetzen durch Unterlassen muss ein Meinungsstreit geführt werden:
    2. Theorie des erstmöglichen Eingriffs: Mit der Versäumung der ersten Rettungschance
    3. Theorie des letztmöglichen Eingriff: Mit der Versäumung der letzten Rettungschance
    4. Gefährdungstheorie (hM): Mit Eintritt einer unmittelbaren Gefährdung des Opfers

III. Rechtswidrigkeit

A. Notwehr nach §32 StGB

1. Prüfung

  1. Es muss ein rechtswidriger gegenwärtiger Angriff vorliegen.


    1. Abwehrhandlung
      Die Abwehrhandlung muss gegen den Angreifer gerichtet sein
    2. Geeignetheit
      Die Handlung muss dazu geeignet sein, den Angriff abzuwehren oder jedenfalls die drohende Rechtsgutverletzung zu verringern
    3. Erforderlichkeit
      • Die Abwehrhandlung muss muss das relativ mildeste Mittel darstellen
      • Hierbei ist dasjenige Verteidigungsmittel zu wählen, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten Schaden anrichtet
      • Der Angegriffene muss sich nicht auf das Risiko einer nur unzureichenden Abwehrhandlung einlassen
    4. Gebotenheit
      • "Sozialethische" Einschränkungen des Anwendungsbereich der Notwehr bei bestimmten Fallgruppen
      • Insbesondere: Krasses Missverhältnis, Angriffe offensichtlich schuldloser Handelnder (Irrende, Kinder, Betrunkene), enge persönliche Beziehungen (Familie), Notwehrprovokation

  2. → Anforderungen an das Subjektive Rechtfertigungselement streitig:

    1. Objektive Theorie
    2. Kenntnistheorie
    3. Willenstheorie
    4. → Rechtsfolge bei fehlendem Verteidigungs- bzw. Nothilfewillen?

      1. Versuchslösung
        Der Täter wird nach den Grundsätzen des Versuchs bestraft
      2. Vollendungslösung
        Der Täter wird wegen vollendetem Delikt bestraft.


    • Nothilfe ≠ Notwehr
    • Angriff muss menschlich sein (Ausnahme: Antizipierte Notwehr)
    • Notwehr gegen nOtwehr nicht möglich!
    • Verteidigungshandlung muss sich gegen den Angreifer richten
    • Erforderlichkeit = Weit (Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen; scharfes Schwert der Notwehr)
    • Gebotenheit immer beachten
      • Fallgruppen lernen
      • Lösung: Notwehr (-) oder Drei-Stufen-Lösung
    • Subjektives Element ist umstritten (aber mind. Notlagekenntnis)
    • Häufigsten Klausurschwerpunkte: Erforderlichkeit und Gebotenheit


B. Notstand nach §34 StGB

Die Rechtfertigungsgründe des BGB (§228 & §904) sollten zuerst geprüft werden. Durch ihre Spezialität ist im Falle ihrer Bejahung keine eigen Erläuterung des §34 StGB notwendig, ein Verweis auf die Spezialität genügt.

1. Prüfung des Defensiven Notstandes §228 BGB

  1. Gegwärtige Gefahr, die von einer Sache ausgeht (auch Dauergefahren)


    1. Beschädigung oder Zerstörung einer Sache
      → Sache von der die Gefahr ausgeht
    2. Erforderlichkeit (geeignetes + mildestes Mittel)
    3. Interessenabwägung: Schaden steht nicht außer Verhältnis zur Gefahr

  2. Kenntnis der rechtfertigenden Umstände und Handeln zur Gefahrenabwehr


2. Prüfung des Aggresiven Notstandes §904 BGB

    1. Gefahr für irgendein Rechtsgut droht; gleichgültig, ob von Menschen oder Sachen ausgehend; wem sie droht; Gefahr geht nicht nicht von der fremden (beeinträchtigten) Sache aus!
    2. Gefahr ist gegenwärtig (entspricht Notstandslage des §34 StGB)

    1. Einwirkung auf eine fremde Sache (Beschädigen/ Zerstören)
    2. Notwendigkeit (entspricht der Erforderlichkeit des §34: geeignetes + kein milderes Mittel)
    3. Interessenabwägung: Schaden wäre objektiv unverhältnismäßig groß gegenüber dem durch die Notstandshandlung entstehenden Schaden

  1. Kenntnis der rechtfertigenden Umstände und Handeln zur Gefahrenabwehr


3. Prüfung des §34 StGB

  1. Es muss eine gegenwärtige Gefahr vorliegen (auch Dauergefahren)


    1. Geeignetheit
    2. Erforderlichkeit
      • Die Abwehrhandlung muss das realativ mildeste Mittel darstellen
      • Achtung: Ausweichmöglichkeiten müssen auch ergriffen werden!
    3. Interessenabwägung
      • Das geschützte Interesse muss das beeinträchtigte "wesentlich" überwiegen
      • Abwägungskriterien beachten!
    4. Angemessenheit

  2. Die Notstandslage muss einen Abwehrwille zur Grundlag haben


    • Notstandslage = Gegenwärtige Gefahr (= weiter als Notwehrlage)
    • Keine Gebotenheitsprüfung
    • Interessenabwägung asl zentraler Punkt
    • Angemessenheit asl "quasi" Gebotenheit
    • Spezielle Notstandsregelungen bei der Beschädigung/ Zerstörung von Sachen

4. Einwilligung

  1. Das tatbestandsauschließende Einverständnis wird immer relevant, wenn der schon der TB oder der Sinn und Zweck ein Handeln gegen den Willen des Berechtigten verlangt. Liegt ein solches Einverständis vor, ist schon der objektive TB nicht erfüllt. Es handelt sich hierbei also nicht um einen Rechtfertigungsgrund. Beispiele:

    • §123 StGB (Hausfriedensbruch): Eindringen bedeutet wie schon dargelegt, Betreten gegen den Willen des Berechtigten
    • §242 StGB (Diebstahl): Wegnahme, also der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams liegt nur vor, wenn der Gewahrsamswechsel gegen den Willen des Berechtigten erfolgt

    → Bei Tatbeständen, die kein Handeln gegen den Willen des Berechtigten verlangen, kann die Einwilligung des Betroffenen einen Rechtfertigungsgrund darstellen (zb im Falle des §223 StGB)


  2. I. Objektive RF-Elemente

      • Das gefährdete RG muss disponibel sein
      • Def.: Ein RG ist dann disponibel, wenn der Inhaber frei darüber verfügen kann.
      • Alle Individualrechtsgüter (bis auf das menschliche Leben; arg. §216 StGB) sind disponibel.
      • RG der Allgemeinheit sind nicht disponibel

      • Bei Eingriffen in die körperliche Integrität darf die Tat den Rahmen der guten Sitten überschreiten (gem. §228 StGB)
      • Nicht die Einwilligung sondern die Sittenwidrigkeit der Tat ist maßgeblich

      • Der Einwilligende muss der Inhaber des betroffenen RG sein
      • Dritte Personen (Vertreter) müssen zur Disposition über das RG befugt sein

      • Der einwilligende muss eine hinreichende Einwillungs- und Urteilsfähigkeit besitzen
      • Dabei wir nicht auf die Geschäftsfähigkeit abgestellt

      • Die Einwilligung muss vor der Tat ausdrücklich erklärt werden oder konkludent zum Ausdruck gebracht werden
      • Die Einwilligung ist bis zur Tat frei widerruflich, spätere Genehmigungen sind irrelevant

      • Es dürfen keine wesentlichen, entscheidungserhebliche Willensmängel vorliegen (zb. Täuschung, Drohung, Gewalt, etc.)
      • Wenn ein Willensmängel vorliegt:
      • → Einwilligung (-)

    II. Subjektives RF-Elemente

    Der Täter muss subjektiv in Kenntnis einer Einwilligung handeln


    • eigenständiger, gewohnheitsrechtlich anerkannter REchtfertigungsgrund
    • dann (+), wenn ausdrückliche Einwilligung nicht eingeholt werden kann (zb. OP nach Unfall an einem bewusstlosen) der RG Inhaber, vermutlich jedoch einwilligen würde
    • ist subsidiär zur ausdrücklichen Einwilligung

    I. Objektive RF-Elemente

      • Das gefährdete RG muss disponibel sein
      • Def.: Ein RG ist dann disponibel, wenn der Inhaber frei darüber verfügen kann.
      • Alle Individualrechtsgüter (bis auf das menschliche Leben; arg. §216 StGB) sind disponibel.
      • RG der Allgemeinheit sind nicht disponibel

      • Bei Eingriffen in die körperliche Integrität darf die Tat den Rahmen der guten Sitten überschreiten (gem. §228 StGB)
      • Nicht die Einwilligung sondern die Sittenwidrigkeit der Tat ist maßgeblich

      • Der Einwilligende muss der Inhaber des betroffenen RG sein
      • Dritte Personen (Vertreter) müssen zur Disposition über das RG befugt sein

      • Der einwilligende muss eine hinreichende Einwillungs- und Urteilsfähigkeit besitzen
      • Dabei wir nicht auf die Geschäftsfähigkeit abgestellt

      1. Subsidiarität
        • → Die ausdrückliche Einwilligung kann nicht abgewartet werden
      2. Übereinstimmung mit dem mutmaßlichen Willen
        → Feststellung des hypothetischen Willens des Rechtsgutträgers
        • Einzelfall abhängig
        • Mögliche vorher abgegeben Aussagen müssen berücksichtigt werden
        • Täterverhalten muss objektiv im Interesse des Einwillungsberechtigten liegen
        • Wenn keine Anhaltspunkte zur Personenbezogenen Auslegung der mutmaßlichen Einwillung vorhanden sind, ist eine Sicht eines objektiv, vernünftigen Beobachters maßgeblich
        • Übereinstimmung entbehrlich bei mangelndem Interesse

    II. Subjektive RF-Elemente

    Der Täter muss subjektiv in Kenntnis einer Einwilligung handeln



IV. Schuld

A) Schuldausschlussgründe

I. §17 StGB

  1. Felehndes Unrechtsbewusstsein: Täter erkennt nicht, dass sein Handeln rechtlich verboten ist
  2. Unvermeidbar: Wenn der Täter trotz Anstrengung all seiner inividuellen Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten nicht das Unrechtsein seines Handeln erkennen kann
    • Vermeidbar, wenn:
      • Der Irrtum durch Nachdenken zu erkenn war
      • Wenn möglich Rechtsrat eingeholt wurde (auf kompetenten REchtsrat darf vertraut werden)
      • Sonstige Auskünfte (zB: Google, etc.)
    • Unvermeidbar, wenn:
      • Die oben genannten Punkte nicht zutreffen
      • Bei ungeklärter Rechtslage ein abwarten unzumutbar wäre

II. §19 StGB

III. §20 StGB

B) Entschuldigungsgründe

I. §33 StGB (Notwehrexess)

II. §35 StGB (Entschuldigende Notstand)

  1. Notstandslage:

  2. Notstandshandlung
    1. Geeignetheit und Erforderlichkeit
      • Die Gefahr darf nicht anders (mit milderen/ gerechtfertigten) Mitteln abwendabr sein
    2. Unzumutbarkeit der Gefahrenhinnahme Der Täter muss die Gefahr hinnehmen, wenn er
      1. Die gefahr selber schuf (Verursacherprinzp)
      2. In einem besonderen rechtlichen Verhältnis zur Allgemeinheit steht (zb Polizist, Feuerwehrmann, Soldat)

  3. Subjektives RF-Element
    Zu bejahen, wenn: Gefahrabwendungswille + Kenntnis der Notstandslage

C) A.L.I.C. (Actio libera in causa)

1. Die Grundstruktur

2. Die wichtigsten drei Modelle

  1. Ausnahmemodell

  2. Ausdehnungsmodell

  3. Tatbestandsmodell (h.M.)

D) Irrtumslehre

I. Erlaubnistatbestandsirrtum (ETBI)

  1. Allgemeines:

  2. Theorien zur Rechtsfolge
      • Unrechtsbewusstsein ist Teil des Vorsatzes; fehlt es daran, handelt der Täter maximal fahrlässig
      • Kritik: seit der Einführung des §17 nicht mehr mit dem Gesetzt vereinbar
      • → nicht mehr Vertretbar

      • Rechtfertigungsgründe sind teil eines großen "Gesamtunrechtstatbestandes"; irrt sich der Täter darüber, dann greift unmittelabr §16 StGB
      • Kritik: Strafbarkeitslücken bei Tatteilnehmern und Unvereinbarkeit mit dem dreistufigen Deliktsaufbau

      • Behandlung ausnahmslos nach §17 StGB; Schuld und damit Strafbarkeit entfällt nur, wenn Irrtum unvermeidbar war
      • Kritik: ungerechte Ergebnisse, da keine Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsiirtümern gemacht wird

    1. umstrittene Aufteilung in:
        • Tatumstandsirrtum i.S. des §16 ist gleichwertig (qualitativ) mit dem ETBI
        • Tatbestandsvorsatz entfällt nicht i.e.S., jedoch der Handlungsunwert und somit auch Vorsatzunrecht
        • → §16 I 1 ist analog anzuwenden
        • Kritik: Strafbarkeitslücken bei Teilnahme
        • Vertreten durch: BGH
        • Rechtsfolge des §16 wird auf Schuld angewandt
        • Vorsatz entfällt dadurch nicht, jedoch die Schuld bezüglich des Vorsatzes
        • → nur Rechtsfolge des §16 I 1 StGB auf Schuld anwendbar
        • Kritik: Kategorie der "Vorsatzschuld" ist eine ad hoc-Schöpfung
        • Vertreten durch: Herrschende Lehre

II. Erlaubnisirrtum

III. Entschuldigungstatbestand

IV. Entschuldigungsirrtum

V. Wahndelikt

V. Rücktritt

Grundlage: Warum gibt es den Rücktritt?

  1. Opferschutz: Durch den Rücktritt wird das Opfer in dem Sinne geschützt, dass der Täter dazu animiert wird, doch noch von der Vollendung abzusehen
  2. Honorierung des Täters: Das ablassen/ das Abwenden von der Vollendung soll belohnt werden
  3. "Goldene Brücke in die Legalität": Dem Täter soll so lange wie möglich der Weg in die Legalität geboten werden

1. Kein fehlgeschlagener Versuch

Für die Frage ob der Versuch fehlgeschlagen ist, ist der Tatplan des Täters von entscheidender Rolle. Laut Definition gilt der Versuch als fehlgeschlagen, wenn der Täter davon ausgeht, dass er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mittel den Taterfolg, ohne zeitliche Zäsur, nicht mehr herbeiführen kann.
Ein Problem taucht bei Mehraktigen Geschensverläufen auf. Zwei Theorien möchten dieses Problem lösen:

  1. Einzelakttheorie: Nach dieser Theorie muss jeder Akt einzeln an den Vorausetzungen des Rücktritts gemessen werden
  2. Gesamtbetrachtungslehre (hM): nach dieser Theorie wird eine Gesamtbetrachtung durchgeführt
    Defintion: Der Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung die Vorstellung hta, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur vollenden zu können.

2. beendeter oder unbeendeter Versuch

  1. beendeter Versuch: Der Täter glaubt alles Notwendige getan zu haben, dass zur Herbeiführung des Taterfolgs notwendig/ ausreichend ist.

  2. unbeendeter Versuch: Der Täter glaubt nicht alles Notwendige getan zu haben, dass zur Herbeiführung des Taterfolgs notwendig/ ausreichend ist.
    1. Es kann auch eine Korrektur des Rücktrittshorizontes stattfinden:
    2. beendet → unbeendet: Wenn der Täter alsbald erkennt, dass er doch noch nicht alles Notwendige getan hat
    3. unbeendet → beendet: Wenn der Täter alsbald erkennt, dass er doch schon alles Notwendige getan hat

3. Rücktrittshandlung

Zurücktreten kann man auf folgende Weisen:

  1. Aufgeben der Tat (§ 24 I 1 Alt. 1 StGB)

  2. Verhinderung der Vollendung (§ 24 I 1 Alt.2)
    1. Ja: Rücktritt (+)
    2. Nein: Ernsthaftes Bemühen um Verhinderung (§ 24 I 2 StGB)
      1. Ja: Rücktritt (+)
      2. Nein: Rücktritt (-)
      3. Definition: Ein ernsthaftes Bemühen erfordert stets eine aus der Sicht des Täters optimale Rettungsbemühungen. Er muss alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen.

4. Freiwilligkeit

Weiterhin muss der Täter freiwillig zurücktreten.
Früher wurde die Freiwilligkeit nach der Frank'schen Formel ermittelt. Nach dieser Formel handelte der Täter freiwillig, wenn er bezüglich der Fortsetzung seiner Tat sagt: "Ich will nicht, auch wenn ich könnte!". Demenstprechend, handelte der Täter unfreiwillig, wenn er bezüglich der Fortsetzung seiner Tat sagt: "Ich kann nicht, auch wenn ich wollte!"
Eine andere Ansicht forderte die Frewilligkeit am Maßstab der Verbrechervernunft zu messen. Nach dieser Ansicht handelt der Täter unfreiwillig, wenn sein Verhalten einem "hartgesottenen, Risiko und Chancen des konkreten Tatplans kalt abwägenden Deliquenten" als vernünftig erscheint. (siehe/ vgl. Wessels/ Beulke/ Satzger Rn. 1066)
Die herrschende Lehre und Rechtssprechung ziehen heute die Kriterien der "heteronomen" und "autonomen" Gründe heran:

  1. Freiwillig ist ein Rücktritt dann, wenn er ohne äußere oder innere Zwangslage, den autonomen (=selbstbestimmten) Entscheidungen des Täters entspringt.
    Das Motiv für den Rücktritt muss nicht moralisch hochstehen, kann von außen kommen (zB. durch Zureden des Opfers) und ist durch die Schuldunfähigkeit nicht ausgeschlossen. Auch nüchterne Abwägungen, wie das Ablassen vom Opfer um ein weiteres Opfer nicht entkommen zu lassen. Folglich kommen folgende Motive (unabschließende Aufzählung) in Betracht:
    Gewissensbisse, Reue, Scham, Mitleid, seelische Erschütterung und Angst vor Strafe

  2. Unfreiwillig ist der Rücktritt dann, wenn er aus heteronomen Hinderungsgründen, die vom Täterwillen unabhängig bestehen, die unüberwindbare Hemmnisse auslösen oder die Sachlage so wesentlich zu seinem Nachteil verändern, angetreten wird.

  3. Kann nicht eindeutig geklärt werden, welche Vorstellungen den Täter zum Rücktritt bewegt haben, jedoch alle denkbaren Motiven eine Unfreiwilligkeit begründen würden, so ist von der Unfreiwilligkeit auszugehen. Bleibt jedoch Raum für auch nur ein Motiv, welches die Freiwilligkeit begründen könnte, ist nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" zu handeln und die Freiwilligkeit anzunehmen.